Siegling Letter 4
- Cite this page as
- "Siegling Letter 4". In A Comprehensive Edition of Tocharian Manuscripts (CEToM). Created and maintained by Melanie Malzahn, Martin Braun, Hannes A. Fellner, and Bernhard Koller. https://cetom.univie.ac.at/?sgl_letter_4 (accessed 13 Oct. 2024).
- Type
- letter
- Script
- handwritten
- Author
- Emil Sieg
- Recipient
- Wilhelm Siegling
- Place
- Kiel
- Date
- 1912-02-01
- Transcription by
- Bernhard Koller, Anna June Pagé
Summary
Sieg expresses his delight at Siegling's recent wedding but simultaneously laments his colleague's resulting neglect of his work on Tocharian. He summarizes his recent findings regarding case, gender, and deixis of the Tocharian A demonstrative pronouns. He expresses his worries that, due to time constraints and the extent of the Tocharian A corpus, their coverage of the grammar within [[siegandsiegling1921| Sieg and Siegling's text edition]] will have to be limited, opening them up to criticism from future scholars able to spend more time on individual forms.
Remarks
Images
Images provided by Prof. Dr. Thomas Oberlies and Pratik Rumde from the Seminar für Indologie und Tibetologie of the Georg-August-Universität Göttingen.
Transcription
a1erl
a2Herrn Dr. Wilhelm Siegling
a3Kgl. Museum f. Völkerkunde
a4Berlin 11
a5Königgraetzerstr.
a6Prof. E. SIEG
a7KIEL
a8ESMARCH-STRASSE 70
c1Kiel d. 1. 2. 12
c2Esmarchstr. 70
c3erl
c4Lieber Siegling,
c5da heute der 1te des Monats ist, wo aller¬
c6hand Schulden geregelt zu werden pflegen,
c7will ich auch gleich an Sie schreiben, um
c8mich von einer Schuld zu befreien, die mich
c9schon lange plagt.
c10Zunächst also besten Dank Ihnen u. Ihrem
c11Frl. Braut, der wir uns freundlichst empfehlen ,
lassen
c12für Ihre Karten u Briefe. Wir haben daraus
c13mit Freuden ersehen, dass Sie sich wohl
c14u. munter fühlen, wie sich ja das bei
c15einem jungen Brautpaar auch nicht
c16anders erwarten lässt, – andererseits
c17aber auch, dass Sie zum Arbeiten
d1für das Tocharische inzwischen nicht
d2gekommen sind: was ich befürchtet habe!
d3Ich habe leider inzwischen auch sehr sehr
d4wenig Zeit für das Toch. behalten, da
d5die Universitätssitzungen u. Vorträge
d6mir zuviel von meiner freien Zeit nehmen,
d7immerhin habe ich aber doch Einiges ar¬
d8beiten können. Ich habe zunächst das
d9Verhältnis der Pronominalformen cem - cesam,
d10ceṣ - cesas; to m - tosam, toṣ - tosas unter¬
d11sucht, u. dabei gefunden, dass cem nom. pl.
d12mask = te, cesam der entspr. acc = tān (davon
d13weiter dekliniert cesmi etc) ist, entsprechend
d14tom u. tosam fürs Fem., dagegen ceṣ u. cesas
d15toṣ u tosas die entspr. Kasus von idam also
d16ime, imān bezw. imās wiedergeben. Übertragen
d17wir dieses Verhältnis auf den Sg. so erklären
d18sich die Nom. sas u. sam, sās und sām
d19die Accusative caṣ u. cam etc. Als besonders
d20interessante Stellen verweise ich auf Š 79.2b1:
d21ceṣ keantṛ cesam ṣ n cem nu cesas ke uantṛ n
d22„diese rufen jene herbei jene aber diese rufen“
d23(* ṣu heisst, glaube ich, kann es aber noch nicht
d24sicher sagen „herbei“ Š 72.9b1 ist wohl auchṣu statt
d25pu zu lesen, die ganze Ställe ist vielleicht dort
d26so zu übersetzen: darauf der Mechaniker zu
d27den Leuten sagte: wohlan (?) rasch (?) herbei
bringet
d28(pkāmācä) eine Axt ([saṃ] porat\), den Strick
d29zerschnitten habend jene wieder fort “.).
bringet
d30vgl. M 170.1a1 cami rupis sam sas prāpti näṃ
d31= tasya rūpasya so 'yaṃ prāpti nāma
d32etc ... Über die Formen die mit n (= ṃ) endigen
d33bin ich mir noch nicht klar geworden, ev. dürften
d34Übersetzungen von enat vorliegen, od. Neutra, die
d35dann freilich sehr knapp sein müssten!
d36Sonst untersuche ich jetzt die Verba finita
d37auf -äṃ, äm, ā u. die Partizipia auf āṃ, māṃ,
d38ant, änt, ānt, es muss doch auch für diese Ord¬
d39nung geschaffen werden. Schade nur, dass das
d40alles so sehr viel Zeit kostet, wann sollen wir
d41da blos fertig werden! Es wäre doch besser ge¬
d42wesen, wir hättens wie die Franzosen gemacht
d43u. immer nur kl. Stücke behandelt. Jetzt
d44sollen wir die Grammatik mit einem Mal
d45im Wesentlichen erschöpfen. Liegen nachher
d46die Texte erst vor, so stürzt sich vielleicht
c18jeder Einzelne auf eine Spezialuntersuchung
c19einzelner Formen, bekommt danach wahrschein¬
c20lich auch recht bald was darüber heraus
u. leicht
c21u. dann heisst es: das haben die nicht mal
c22erkannt! Leicht reden! Wir können eben bei
c23der Fülle des Materials nicht alle Erschei¬
c24nungen gleich untersuchen. – mässig
c25Wann ich nach Berlin kommen kann, ist
c26noch sehr unsicher, zum Ferienbeginn muss
c27ich mich zunächst mit aller Macht auf den
c28Realkatalog stürzen, den ich für die Biblio¬
c29thek übernommen habe. Dass er am 1 April
c30ganz fertig sein wird, bezweifle ich natürlich
c31stark! – Nach Athen werde ich aber wohl
c32keineswegs fahren. Es scheint mir ganz
c33aussichtslos, dass mir das Ministerium
c34einen Zuschuss giebt u. ohne den fahre ich
c35nicht: dazu fehlt mir vor allen Dingen das
c36Geld u. schliesslich auch die Zeit. Jedenfalls
c37sollten Sie aber versuchen e. kl. Zuschuss zur
c38Reise herauszuschlagen, Sie halten dann na¬
c39türlich einen Vortrag über das Tocharische , den
in unser Beider Namen
c40wir vorher zusammen ausarbeiten. Also überlegen
c41Sie sich die Sache! – Alle Grüsse, die ich zu bestellen
c42hätte, habe ich freilich schon Le Coq aufgetragen, aber es schadet sicher nicht,
d47wenn Sie nochmals grüssen alle Freunde vom Museum u. vom
d48Turfantisch, ich bedauere unendlich, dass ich nicht bei Ihnen
d49Allen sein kann u trinke auf Ihr Wohl!
c43Ihnen selbst u. Ihrem Frl. Braut natürlich die allerbesten
c44Grüsse von Ihrem getreuen Kieler
Index
Forms in Tocharian A
People
Albert von Le Coq: c42
Secondary literature
Bibliography
Sieg, Emil, and Wilhelm Siegling. 1921. Tocharische Sprachreste, I. Band. Die Texte. A. Transcription. Berlin/Leipzig: de Gruyter.