Siegling Letter 7
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- "Siegling Letter 7". In A Comprehensive Edition of Tocharian Manuscripts (CEToM). Created and maintained by Melanie Malzahn, Martin Braun, Hannes A. Fellner, and Bernhard Koller. https://cetom.univie.ac.at/?sgl_letter_7 (accessed 12 Oct. 2024).
- Type
- letter
- Script
- handwritten
- Author
- Emil Sieg
- Recipient
- Wilhelm Siegling
- Place
- Kiel
- Date
- 1920-04-27
- Transcription by
- Bernhard Koller, Anna June Pagé
Summary
The letter primarily consists of a draft by Sieg of the introduction to their upcoming text edition. Sieg further addresses the contentious relationship between the Yuezhi, the Indo-Scythians, and the Tocharians. At the end of the letter (in the margin) Sieg references an “intriguing” suggestion by Siegling, which, unfortunately, cannot be recovered without Siegling's side of the correspondence.
Remarks
Images
Images provided by Prof. Dr. Thomas Oberlies and Pratik Rumde from the Seminar für Indologie und Tibetologie of the Georg-August-Universität Göttingen.
Transcription
a2erl
a3Herrn Dr. Wilhelm Siegling
a4Berlin-Friedenau
a5Offenbacherstr. 5
a6Prof. E. SIEG
a7KIEL
a8ESMARCH-STRASSE 70
c1Kiel d. 27/4. 20
c2Esmarchstr. 70
c3Lieber Siegling,
c4haben Sie besten Dank für Ihr ausführliches Schreiben: ich kann mir denken, dass Ihnen
c5allmählich der Kopf gebrummt hat, wenn Sie all die sich zum Teil stark widersprechende
Publika¬
c6tionen zur Frage des Yüe-tschi-Indoskythen-Tocharer-Problems von Marquart, Franke u. s. w.
c7in 8 Tagen hinter einander durchgearbeitet haben. Wie ich Ihnen schon schrieb, lege
ich keinen Wert
c8darauf, dass wir dieses Problem in unserer Einleitung erörtern.
c9Ich würde also folgende Disposition vorschlagen:
c10Einl. Bei den archäologischen Untersuchungen, welche Deutsche, Engländer, Franzosen, Russen
u.
c11Japaner um die Wende des Jahrh. in chines. Turkestan vornahmen, sind in dem Gebiete unmittelbar
c12südlich des Tienschan, d. h. von Kucā i. W bis nach Turfan i. O Sprachreste zu Tage gefördert worden,
c13die wir in unserem 1ten Entzifferungsversuch als „Tocharisch“ bezeichneten u. als selbständige
e. neue
c14indogerm Sprache nachgewiesen haben. Wir haben a. a. O auch darauf hingewiesen, dass diese Sprach¬
c15reste in 2 stark von einander abweichenden Dialekten vorliegen, die man nach unserem
Vorgang
c16sich als A u B zu bezeichnen gewöhnt hat.
c17Inzwischen hat nun S. Lévi, u. E. überzeugend, erwiesen, dass der Dialekt B im 7ten Jhrh.
c18u. Z im Gebiete des „Königreiches Kucā die Landessprache gewesen sein muss. Es ist aber irreführend,
c19wenn er daraufhin diesen Dialekt als „die Sprache von Kucā“ bestimmen will, während er andererseits
c20in dem Dialekt A die Sprache von Turfan (Qarašahr) vermutet.
c21Für Lévi's Annahme könnte nur sprechen, dass die Reste von A nur im Turfangebiet gefun¬
c22den worden sind (s. m. Ausführungen in d. Einl.)
c23dagegen aber, dass die Reste v. B sich auf das ganze Gebiet verteilen, teilweise mit denen von A aus
c24denselben Schutthaufen zu Tage gefördert sind (s. m. Ausführungen)
c25Bemerkenswert ist, dass Wandinschriften, Graffitti auch im Turfangebiet nur in B abgefasst sind,
c26dass A im wesentlichen auf buddhist. Texte beschränkt geblieben ist, während B auch profane Erzeugnisse
von
c27gefunden worden sind. + hierzu Note d. Rückseite!
c28Fest steht demgegenüber nunmehr jedenfalls, (s. Maitrisimit u Tocharisch ein einheimischer Name f. Toχrï), dass der Dialekt A die Sprache ist, welche
u.
c29die Uiguren als Toχrï, die aber als Verfasser bezw. Übersetzer od. Schreiberārśi bezeichneten. Dieses Toχrï giebt na¬
c30türlich zweifellos auch Τοχαροι u. s. w wieder, während in dem gr.Ārśi lautlicheinerseits mit den chines. Yüe-tschi in alter
c31Aussprache, andererseits mit den ᾿Ασιοι, Asiani u. s. w zusammenzustellen ist (s. F. W. K. Müller
c32Toχrï u Kuišan u.. Franke O). Es erübrigt sich für uns auf das damit Damit fällt neues Licht auf das
c33viel erörterte Tocharer-Yüe-tschi-Indoskythenproblem, aber es erübrigt sich für uns an dieser Stelle
c34näher darauf einzugehen, weil es nach den chines Quellen als feststehend gelten kann, dass die spez. im
c35Königreich Kucā wohnende Bevölkerung, die nachweislich einen mit A d.h. mit dem T den Dialekt B gesprochen
c36hat, seit mindestens 200 v. Chr bis zur Verdrängung durch die Türken (Uiguren), d. h. etwa bis z. J 1000
bezw. Ausrottung
c37u. Zeit nicht gewechselt hat (s. Lévi a. a. O), unsere Funde sämmtlich der Zeit vom und6ten bis 10
?ten
c38Jahrh. u. Z angehören dürften.
d1Was das sprachliche Verhältnis der beiden Dialekte zu einander betrifft, so können
sichere
gesicherte
d2 erst gegeben werden, wenn auch die Sprachreste von B genauer durchforscht sind.
Feststellungen
d3Im Allgemeinen soll hier nur Folgendes festgestellt werden (s. m. Ausführungen in d. Einl).
d4(Ich bemerke übrigens, dass ich meine Erörterungen über die Casusflexion durchaus
aufrecht
d5erhalte, die Annahme, dass dieser FlCasusendungen im Toch. sämmtlich unindogermanisch
d6seien, trifft für A bestimmt nicht zu, Gen. u. Acc. sind es jedenfalls nicht, Nom.
?
?ebenso wenig der Instr. auf ā. Sie können
d7ruhig stehen lassen, was ich da gesagt habe, ev. wenn Sie in Sorgen darüber sind, noch bei W. Schulze
d8um Auskunft darüber bitten. Bestehen bleibt, u. als Fazit ist zu ziehen, dass A u B 2 selbstständige
d9Dialekte sind, von denen keiner aus dem anderen hervorgegangen ist, es handelt sich
um 2 Schwester¬
d10sprachen, [gerade so wie Pāli u Prākṛt nicht aus dem kl. Sanskrit hervorgegangen sind nicht um Tochtersprachen natürlich wenngleichhat das Skt
d11auf Prākṛt u Pāli stark eingewirkt , was man von A für B nicht sagen kann] aber A sieht in s. Flexion
hat
d12zweifellos altertümlicher aus als B!) ?
d13Auch die Frage nach dem Verhältnis dieser zur indogerm. Grundsprache
Sprache
d14kann erst mit Sicherheit gelöst werden, wenn die Gesamtreste beider Dialekte vorliegen u sorg sprach¬
d15fältig grammatisch durchforscht sind. Die bisherigen Veröffentlichungen darüber (ev. aufzuzählen)
d16bleiben bisher bisher nur mehr od. weniger geistreiche Combinationen u. führen irre.
d17So denke ich könnten wir unsere Einleitung gut aufbauen u. so kann es auch keine
d18Meinungsverschiedenheiten zwischen uns geben. wie die A-Leute nach Die SchwierigkeitenTurfan gekommen sind ( , wollten,
d19können wir einstweilen nicht lösen sicher. Die Einwanderung buddhistischer Missionare aus wir bescheiden uns daher, u schneiden sie gar nicht erst anTa-hia
d20giebt nur ein neues X u. dass sieĀrśiLand als ārśi sprache, dass die erklärt wenigstens nicht, se Leute einen den A-Leuten
von B
d21eng verwandten Dialekt sprechen. War der B-Dialekt etwa die Sprache Kuišan? Vielleicht
giebt die genaue
d22Durchforschung von B uns auch dafür gesicherte Ergebnisse. Hier sollen wir blos feststehende
Tat¬
d23sachen bringen, nicht neue Probleme aufrollen, darin gebe ich Müller vollkommen recht.
d24Sehen Sie also zu, wie Sie nach diesem Schema meinen Einleitungsentwurf umformen können.
d25Ich glaube, das ist verhältnismässig einfach u. ein beiderseitiges Zusammenkommen zu diesem Zwecke
d26wird nicht nötig werden. Die Hauptsache ist, dass wir jetzt möglichst bald mit den
Texten herauskommen.
d27! Was die Verbesserungen u Nachträge anlangt, so könnte wohl der Passus über die Maitreya¬
d28Samitifragmente erheblich verkürzt werden, insofern e. genaue Einreihung der Fragmente in die
d29einzelnen Akte späterer gesonderter Behandlung überlassen werden kann. Ich lasse Ihnen
in dieser
d30Beziehung völlige Freiheit. Nur offenbare Fehler unserer ersten Angaben müssen verbessert
werden.
d31Übermorgen fange ich wieder mit den Vorlesungen an: Ṛgveda, Śakuntalā u. leichte Skttexte!
d32Ich habe übrigens momentan schauderhaftes Reissen im rechten Arm, sodass ich ihn kaum
heben
d33kann: meine Schrift hat sich dadurch auch nicht gerade verbessert.
d34Grüßen Sie Ihre Gattin u alle Freunde! Was sagen Sie zu Negeleins Berufung, nach Er¬
d35langen? Ich habe mich sehr darüber gefreut.
d36Treulichst Ihr
d37E. Sieg
d38Ihre Hypothese ist übrigens sehr bestechend u. sie gefällt mir mehr u. mehr, je länger ich darüber nachdenke. Vielleicht könnte man diese Vermutung oben
einflechten,
d39wo davon berichtet wird, dass die A-Texte nur Buddhistica nicht Profana enthalten!
Index
Forms in Ancient Greek
᾿ασιοι: c31
Forms in Latin
asiani: c31
People
Josef Markwart: c6
Friedrich W. K. Müller: c31 d23
Julius von Negelein: d34
Wilhelm Emil Heinrich Schulze: d7
Wilhelm Siegling: a3
Marie Siegling (née Reinhardt): d34
Bibliography
Müller, Friedrich Wilhelm Karl. 1918. “Toχrï und Kuišan (Küšän).” Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften, 566–88.
Müller, Friedrich Wilhelm Karl, and Emil Sieg. 1916. “Maitrisimit und ‘Tocharisch’.” Sitzungsberichte der Preußischen Akademie der Wissenschaften, 395–417.
Sieg, Emil, and Wilhelm Siegling. 1921. Tocharische Sprachreste, I. Band. Die Texte. A. Transcription. Berlin/Leipzig: de Gruyter.